Resilienz
Die Betrachtung der Resilienz ist motiviert durch die Annahme, dass nicht alle zukünftigen Gefährdungssituationen vorhersehbar sind, sondern dass im Gegenteil gerade besonders drastische Störereignisse plötzlich und unerwartet auftreten können. Die Auswirkungen solcher Ereignisse können nicht vollends abgefangen oder verhindert werden. Das Ziel von Resilienz-bildenden oder -stärkenden Maßnahmen ist es stattdessen ein System zu befähigen mit den Auswirkungen von Störungen jedweder Art und Ausprägung umzugehen – auch solcher, die bis zu ihrem Auftreten unbekannt waren.
Definition Resilienz
Der Begriff Resilienz beschreibt die Fähigkeit eines Systems (unmittelbar sowie langfristig) mit den Auswirkungen unspezifischer und möglicherweise unvorhergesehener Störereignisse umzugehen. Entsprechend der Vielfalt an Mechanismen, die zu einem positiven Umgang mit einem Störereignis beitragen können, ergibt sich die Resilienz eines Systems aus einer Kombination unterschiedlicher Kompetenzen und Strategien. Genau genommen beschreibt der Begriff Resilienz also nicht eine einzelne, sondern eine Gruppe von Fähigkeiten. Diese Gruppe lässt sich anhand dreier übergeordneter Grundfähigkeiten zusammenfassen, die die Zielsetzung resilienten Verhaltens erfassen: Ein resilientes System ist in der Lage die Auswirkungen einer Störung gering zu halten (Absorptionsfähigkeit) und sich von diesen schnell und vollständig zu erholen (Restorationsfähigkeit). Darüber hinaus besitzt ein resilientes System eine gewisse Lernfähigkeit, die es dem System ermöglicht die zum Umgang mit Störungen notwendigen Fähigkeiten zu steigern oder diese in einer sich verändernden Gefährdungslage langfristig zu erhalten (Adaptionsfähigkeit). Jede dieser drei übergeordneten Grundfähigkeiten (Absorptions-, Restorations- und Adaptionsfähigkeit) ergibt sich wiederum aus verschiedenen Resilienz-bildenden Eigenschaften und Fertigkeiten. Beispielsweise kann die Absorptionsfähigkeit eines Systems durch bestimmte Strukturmerkmale (wie ein modulares Design oder das Vorhandensein redundanter Elemente) sowie durch organisatorische Fertigkeiten der handelnden Akteure (z.B. Entscheidungs- und Kommunikationsfähigkeit in Krisensituationen) positiv beeinflusst werden.
Abgrenzung zum Risikobegriff
Ein entscheidendes Kriterium zur Unterscheidung von Risiko- und Resilienz-basierten Ansätzen zur Steigerung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit eines Systems ist die Unsicherheit oder Kenntnis über die Ereignisse oder Szenarien, die die beiden Ansätze adressieren. Während Risiko-basierte Ansätze darauf abzielen ein System auf Gefährdungssituationen vorzubereiten, deren Charakteristika zu einem gewissen Grad bekannt oder zumindest absehbar sind, zielen Resilienz-basierte Ansätze darauf ab ein System auf den Umgang mit beliebigen Gefährdungssituationen vorzubereiten – hierzu zählen insbesondere auch unerwartete und singuläre Störereignisse. Charakteristisch für Resilienz-basierte Betrachtungen ist der starke Fokus auf das System selbst bzw. auf die Ausprägung der resilienten Fähigkeiten dieses Systems. Entsprechende Betrachtungen beinhalten dabei speziell auch die Fähigkeiten, die nach der Ausbildung negativer Folgen zum Tragen kommen (d.h. die Restorations- und Adaptionsfähigkeit des Systems).
Resilienz bewerten und quantifzieren
Die Bewertung des Resilienz-Status eines Systems – d.h. die Ermittlung des Grades der Fähigkeit eines Systems mit jedweder Störung umgehen zu können – ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Dies hängt damit zusammen, dass sich die Ausprägung einer Fähigkeit nur in dem Moment manifestiert, in dem diese Fähigkeit gebraucht wird – d.h. im Falle der Resilienz, während eines Störereignisses. Für die Bewertung oder Quantifizierung der Resilienz bedeutet dies im Umkehrschluss, dass um die tatsächliche Resilienz eines Systems fehlerlos zu ermitteln, jede erdenkliche Störung berücksichtigt werden müsste. Folglich kann jede Resilienz-Bewertung nur eine Näherung an die tatsächliche Resilienz eines Systems liefern. Bei entsprechenden Näherungen kann grundsätzlich zwischen zwei Herangehensweisen unterschieden werden – Outcome-basierten (ergebnisorientiert) und Property-basierten (eigenschaftsbasiert).
Outcome-basierte Ansätze stützen sich auf den Ausgang von exemplarischen Störszenarien um die Resilienz eines Systems zu bewerten. Hierfür muss zum einen eine Auswahl an exemplarischen Störereignissen oder Störfällen getroffen werden und zum anderen ein Maß für die Quantifizierung des Ausgangs einer Störung festgelegt werden. Beide Aspekte beeinflussen das Ergebnis der Resilienz-Bewertung erheblich, weswegen darauf geachtet werden sollte, dass die ausgewählten Szenarien das Spektrum aller möglichen relevanten Störfälle adäquat abdecken und die gewählte Quantifizierung die wesentlichen Systemfunktionen erfasst. Ein besonders verbreiteter Ansatz ist hierbei die Nutzung von Performance-Kurven, die die Funktionsfähigkeit (Performance) eines Systems über den Verlauf einer Störung anhand eines oder mehrerer charakteristischer Performance-Indikatoren darstellen. Mit Hilfe bestimmter Metriken, wie der Fläche unter der Performance-Kurve oder der Steigung der Performance-Restoration, können aus diesen Kurven Kennzahlen abgeleitet werden, die die Güte der Systemantwort auf die entsprechende Störung charakterisieren. Die Zusammenschau einer gewissen Menge von Performance-Kurven ermöglicht es dann Rückschlüsse auf die Resilienz zu ziehen, die den beobachtenden Systemantworten zugrunde liegt.
Eine Alternative zu Outcome-basierten Bewertungen der Resilienz stellt die Property-basierte Betrachtung dar. Bei dieser Herangehensweise wird die Resilienz eines Systems anhand von Systemeigenschaften bewertet, von denen angenommen wird, dass sie die Grundlage der resilienten Fähigkeiten bzw. die Grundlage resilienten Verhaltens bilden. Entsprechende Ansätze beruhen also nicht auf der Betrachtung realer oder simulierter Störfälle, sondern betrachten das System im ungestörten Zustand um dessen Potential mit möglichen Störungen umzugehen abzuschätzen. Eine weitverbreitete Methodik stellen in diesem Kontext sogenannte Resilienz-Kompositions-Indikatoren dar, die Informationen aus unterschiedlichen Quellen (z.B. Umfrageergebnisse, demographische Daten, Expert*innen-Befragungen), einer konzeptionellen Hierarchie folgend, zusammenführen um die Resilienz eines Systems anhand einer Reihe von Kennzahlen darzustellen. Je nach Kompositions-Indikator können sich die verschiedenen Kennzahlen dabei auf unterschiedliche Aspekte der Resilienz beziehen, beispielsweise auf die verschiedenen Resilienz-Fähigkeiten oder die unterschiedlichen Wirkungsdimensionen der Resilienz (technisch, organisatorisch, sozial, ökonomisch).